Gegen die Angst impfen

Gegen die Angst impfen

Ja oder nein?

Kann man gegen die Angst impfen? Zur Zeit dominiert Angst in der Öffentlichkeit:

Angst vor der Impfung

Angst vor Corona

Angst vor Bevormundung

Angst vor der Testung

Angst vor Verschwörungstheorien

Angst vor Gewalt

Angst vor … Vor der Angst

 

Mit Angst kann man gut Macht ausüben.  Wem dient die Angst? Schützt sie oder macht sie klein und dumm und abhängig?

Da gibt es die, mit der Angst vor der Impfung: Sie glauben, dass es nur um das Geschäft der Pharmafirmen geht. Dass man absichtlich die Menschen krank gemacht hat, damit man dann die teure Impfung verkaufen kann. Oder sie haben Angst vor den Nebenwirkungen, über die oft mehr geredet wird als über die guten Wirkungen.

Ich bin auch keine Impffanatikerin, nur so viel impfen wie unbedingt nötig und auch nachvollziehbar. Auch bei den Kindern waren wir als sie klein waren eher zurückhaltend mit Impfungen. Lange Zeit habe ich mich auch nicht gegen Grippe impfen lassen. Erst als mir Ärzte meines Vertrauens die Impfung empfohlen haben, da ich schon über 70 Jahre alt bin und daher auch mehr Risiko habe daran zu erkranken, das habe ich eingesehen. Auch Pneumokokken Impfung ist empfehlenswert ab einem höheren Alter, das sehe ich auch ein. Eine Impfung ist ja nicht nur eine individuelle Entscheidung, denn bestimmte Krankheiten sind ja sehr ansteckend und daher ist es eine solidarische Verpflichtung mich selbst und andere zu schützen. Das trifft vor allem auf den Virus Covid 19, das Coronavirus zu. Es macht Angst, weil für die normale Bevölkerung zu der ich auch gehöre, dieser Virus nicht unmittelbar in seiner Wirkung in der Umgebung erkennbar ist. Grippe kennt man (eigentlich ist es Influenza), aber diese neuen Viren, deren Wirkung sieht man meist nur über Fernsehbilder und hört von Berichten über Sterbefälle durch Corona. D. h. wir müssen einerseits „glauben“, dass es dieses Virus wirklich gibt. Solange wir nicht selbst davon betroffen sind, müssen wir den Berichten, den Experten, der Regierung, den Medien glauben. Und das in Zeiten wie diesen mit den vielen unnötigen Informationen und fakenews.

Und Glauben ist nicht unbedingt Wissen. Doch was wir wissen ist, dass es durch Impfungen keine Kinderlähmungen, keine Pocken, keine Diphtherie mehr bei uns gibt.

Wir wissen auch, wenn wir in ein fremdes Land fahren, zum Beispiel Afrika, dass wir um dorthin reisen zu können, uns impfen lassen müssen. Außer wir wollen uns gerne in extreme Gefahren begeben. Impfen schützt und alles was wirkt, hat auch Nebenwirkungen. Selbst Psychotherapie, das kein chemisches Medikament ist, hat Nebenwirkungen: es kann Veränderungen hervorrufen die die Mitmenschen nicht gut finden, es kann zu Trennungen führen oder zu ganz neuen Lebensstilen. Die Angst vor den Nebenwirkungen lässt viele an der guten Wirkung von Impfung zweifeln. Man sagt Impfungen gegen Corona wurden zu schnell entwickelt, es gab keine ausreichende Langzeitstudie. Das ist klar und unlogisch zugleich: man kann nicht nicht impfen und es gleichzeitig untersuchen. Ich habe gehört, dass es deswegen so schnell ging, weil auf der ganzen Welt die Forscher zusammengearbeitet haben, ihr Wissen ausgetauscht haben und koordiniert wurde. Das ist üblicherweise nicht der Fall, die meisten Forschungen passieren in Konkurrenz und nicht in Kooperation. Daher ist das Tempo für mich logisch nachvollziehbar.

Die Angst vor Bevormundung bringt ebenso interessante wie auch abstruse Denkweisen hervor. Einerseits ist es wichtig nachzufragen, warum und wieso diese und jene Strategie zur Verhinderung oder Eindämmung von Corona eingesetzt wird. Manches ist nicht sehr logisch, je nach Standpunkt den man einnimmt: Waffenhandlungen bleiben offen, Buchhandlungen werden gesperrt, Museen werden geschlossen, Schilifte bleiben offen. Diese Unlogiken machen misstrauisch und schüren Widerstand und Angst.

Und in Zeiten in denen die Lüge salonfähig geworden ist, in Zeiten über 70 Millionen Menschen einem „Politiker“ nachlaufen und glauben, dass eine Wahl gestohlen wurde, in solchen Zeiten muss man schon viel Vernunft, Nachdenken und Diskussion über das, was wahr sein könnte, aufbringen.

Der Zweifel ist gut, kann aber nicht der Endpunkt für eine Entscheidung sein. Auf der anderen Seite wollen die Menschen, (welche?), einfache Antworten und Lösungen damit sie ihre Angst verlieren.  Viele haben nicht gelernt die Komplexität des Lebens, der Gesellschaft anzunehmen und sich darin zurechtzufinden. Unser Bildungssystem bietet zu wenig Platz für Fragestellungen, für Diskussion und Auseinandersetzung. Nicht die Kinder dürfen Fragen, sondern die Lehrer* Innen fragen und darauf gibt es ein richtige oder falsche Antwort.

So haben sich viele Menschen abgewöhnt selbst nachzudenken, miteinander zu diskutieren und schließlich für die eigene Entscheidung Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn es etwas pessimistisch klingt, wir haben jedenfalls in Österreich keine gute Diskurskultur. Dafür gibt es keine Zeiten und Orte, nur in den Medien wird in bestimmten Sendungen diskutiert. Ich wünsche mir Orte und Zeiten wo gegensätzliche Meinungen von Menschen ausgesprochen werden und man gemeinsam nach dem Hintergrund der eigenen Meinung fragt und forscht. Meist bleibt man in der eigenen Meinungsblase, so auch ich meist, weil es bequemer ist. Trotzdem will ich die Angst verstehen, die Menschen dazu treibt Verschwörungstheorien zu glauben. Ich kann verstehen, dass man Halt in einfachen Antworten sucht, weil wenn man unsicher ist und instabil ist.

Unsicherheit und Ungewissheit auszuhalten gehört zu stabilen Persönlichkeiten. Die sogenannte Resilienz ermöglicht uns, Übergänge in Lebensphasen, unklare Situationen zu meistern. Resilienz entsteht aus Erfahrungen der Selbstwirksamkeit, dass ich erlebt habe, dass ich auch etwas verändern und bewirken kann. Widerstandskraft entsteht auch aus der Überwindung von schwierigen Lebensphasen und der daraus gewonnenen Zuversicht.

Das Wissen, dass wir nicht alles wissen und nicht alles genau wissen können, bewährt sich in Krisen.  Es ist wie bei Nebel: man versucht immer nur Schritt für Schritt zu gehen und genau auf den Boden schauen, auf das was trägt. Politiker*innen entscheiden meist auch Woche für Woche und das macht viele Menschen zurecht nervös.

Der Mensch ist zu allem fähig: Menschen haben Gott erfunden, daraus ganze Kulturen entwickelt und viele Glaubenssätze, die das Leben lenken. Aus der Fähigkeit heraus sich alles „einbilden“ zu können, kann man alles glauben was einem aus der Unsicherheit heraus helfen könnte. Ich kann als Nichtmedizinerin auch nur glauben, dass die Medizin und das Gesundheitswesen für uns Gutes und nicht nur ein Geschäft machen will. Ich gehe vom Vertrauen aus, dass die Menschenwürde und die Menschenrechte, das Recht auf Freiheit und Gesundheit als Orientierung und Wegweiser in der Gesellschaft gilt.

Und so bleibe ich achtsam, vorsichtig und offen im Umgang mit dem Virus und allen seinen Nebenwirkungen.

„Falschmeldungen und auch Verschwörungserzählungen sind davon abhängig, dass sie von möglichst vielen Menschen geglaubt und weitererzählt werden, daher können wir alle versuchen, diese Verbreitung zu erschweren.“ Brodnig, Ingrid (2021) 3. Auflage, Wien: Verlag Brandstätter. 

Auguste, März 2021